Mehr Demokratie in der Wirtschaft für eine nachhaltige Unternehmenspolitik

Foto: Christian von Polentz

Im finanz­markt­ge­trie­be­nen Kapitalismus wer­den Management-Entscheidungen immer kurz­fris­ti­ger und ren­di­teo­ri­en­tier­ter. Daher brau­chen die Beschäftigten und ihre Interessenvertreter mehr Beteiligungsrechte, um die nach­hal­tige Entwicklung des Unternehmens, Investitionen, Innovationen und Arbeitsplätze zu sichern. Dies war Thema des Forums 12 "Demokratie in der Wirtschaft" auf dem Kurswechsel-Kongress der IG Metall.

Die Dominanz der Finanzmärkte führt zu einer immer mehr auf kurz­fris­tige Rendite aus­ge­rich­te­ten Unternehmensführung. Die leid­tra­gen­den sind die Beschäftigten in den Betrieben: Langfristige Investionen in die Zukunft von Betrieben und Arbeitsplätzen blei­ben aus. Wirtschaftliche Kennzahlen erhö­hen den Druck in allen Bereichen. Management und oft anonyme Eigentümer wech­seln in immer rasche­rer Folge.

Wir brau­chen mehr Beteiligungsrechte - bis hin zu Anteilen am Kapital
Ein beson­ders extre­mes Beispiel stellte Jürgen Hennemann, Betriebsratsvorsitzender von FTE Automotive im Forum 12 "Demokratisierung der Wirtschaft" auf dem Kurswechsel-Kongress der IG Metall in Berlin vor: Der Betrieb wurde drei­mal inner­halb weni­ger Jahre wei­ter­ver­kauft, zuletzt zwei­mal an Finanzinvestoren. Bei jedem Verkauf stie­gen die Schuld- und Zinslasten, die die Beschäftigten mit mehr Leistung erwirt­schaf­ten muss­ten. Zugleich blie­ben Investitionen in Forschung und Maschinen aus.

So nicht mehr, sag­ten sich Hennemann und seine Kollegen. Als der nächste Weiterverkauf anstand, mach­ten sie mit Aktionen Druck: "Wir haben gesagt, wir wol­len da mit­be­stim­men", erklärt Hennemann. "Wir wol­len wis­sen: Mit wem wird ver­han­delt? An wen ver­kauft? Und dann wol­len wir eine Betriebsvereinbarung zur Sicherung von Standort, Beschäftigung, Investitionen und Tarifen."

Die FTE-Beschäftigten haben es geschafft. "Jeder hat ver­stan­den. Es geht darum: Wer hat was zu sagen?"

Aus die­ser Erfahrung her­aus for­dert Hennemann mehr Beteiligung für die Beschäftigten: Von mehr Mitbestimmungsrechten - bis hin zu Beteiligungen am Kapital.

Die Ausweitung der Mitbestimmung ist mög­lich - auch über Deutschland hin­aus
Doch wie kann die Ausweitung der Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte funk­tio­nie­ren? Über neue Gesetze einer­seits. Aber auch auf Unternehmensebene - wenn die Arbeitnehmerseite stark genug ist. Ein Beispiel hier­für ist der Volkswagen-Konzern, das die Generalsekretärin der Konzerbetriebsrats, Alexandra Baum-Ceisig, im Forum vorstellte.

Dank des VW-Gesetzes, dass dem Betriebsrat unter ande­rem ein Vetorecht bei Standortentscheidungen zusi­chert, haben die Arbeitnehmervertreter ihre Mitbestimmung aus­ge­wei­tet. Die neue "Charta der Arbeitsbeziehungen" bei VW bie­tet nun auch Betriebsräten in aus­län­di­schen Standort die Möglichkeit, Mitbestimmungsrechte aus derr deut­schen Betriebsverfassung zu erwerben.

"Klar gibt es da auch Arbeitnehmervertreter die lie­ber einen kon­flik­to­ri­schen Weg gehen", räumt Alexandra Baum-Ceisig. "Aber der Großteil der aus­län­di­schen Kollegen ist da sehr auf­ge­schlos­sen. Die haben ja auch gese­hen, dass wir durch unsere Mitbestimmung viel errei­chen kön­nen. Etwa die Rettung des Werks in Brüssel."

Demokratisierung der Wirtschaft als Chance für die Gewerkschaftsbewegung
Auf Unternehmens- und Betriebsräte kann die Ausweitung der Mitbestimmung gelin­gen, um der Kurzfristigkeit unter­neh­me­ri­scher Entscheidungen Einhalt zu gebie­ten - wenn Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften stark genug sind. Doch das grund­sätz­li­che Problem, näm­lich dass der finanz­markt­ge­trie­bene Kapitalismus zutiefst unde­mo­kra­tisch ist und zudem die Politik zu einem neo­li­be­ra­len Kurs gegen die Interessen der Menschen zwingt, ist dadurch nicht zu lösen, meint der bri­ti­sche Sozialwissenschaftler Richard Hyman. "Die Gewerkschaften brau­chen eine neue Vision, eine glaub­hafte Utopie: Die Demokratisierung der Wirtschaft. Die Gewerkschaften müs­sen das den Menschen in ein­fa­chen Worten erklä­ren: Es geht darum: Was machen wir mit dem Geld? Und wer entscheidet?"

Um das zu schaf­fen, müss­ten die Gewerkschaften sich jedoch ver­än­dern und selbst noch demo­kra­ti­scher wer­den, damit eine echte orga­ni­sche Solidarität ent­ste­hen kann. Die IG Metall habe schon gezeigt, wie das geht: Mit ihrer "Operation Über­nahme" für feste Jobs nach der Ausbildung. Eine Bewegung, die tat­säch­lich von unten gekom­men ist und von den Jugendlichen vor Ort gestal­tet wurde, lobte Hyman.

Formen der Beteiligung - und wie errei­chen?
Die Diskussion im Forum drehte sich im Wesentlichen um mög­li­che Formen der Mitbestimmung und der Beteiligung. Bertin Eichler, Hauptkassierer der IG Metall, hält Unternehmensformen wie Stiftungen oder Genossenschaften durch­aus für sinn­voll. In der Industrie gehe es jedoch zunächst um die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte. Doch dazu müss­ten die Gewerkschaften mehr Macht auf­bauen und vor allem in den Betrieben stark sein.

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