Spanien: "Die Krise hat uns um 30 Jahre zurückgeworfen"

Manuel Fernandez Lopez

Manuel Fernández López

Die schlech­ten Nachrichten aus Griechenland, Spanien und Portugal rei­ßen nicht ab. Was es für die Menschen bedeu­tet, wenn die Krise zum Normalzustand wird, berich­tet Manuel Fernández López. Der Generalsekretär der spa­ni­schen Gewerkschaft MCA - UGT besuchte Mitte Mai den Vorstand der IG Metall in Frankfurt.

Wie hat die Krise Spanien ver­än­dert?
Manuel Fernández López:
Wir erle­ben gerade einen Riesenrückschritt. Alles, was wir erreicht haben, geht ver­lo­ren. Die kon­ser­va­tive Regierung hat seit der Regierungsübernahme vor eini­gen Monaten zahl­rei­che Reformen umge­setzt. Sie gin­gen alle nur in eine Richtung: Über­all wird gespart. Die Regierung spart bei der Bildung, bei den Dienstleistungen. Gesundheit wird teu­rer. Wer krank wird muss zuzah­len. Es gibt keine Programme für Wirtschaftswachstum. Über­all herrscht Stillstand, das Misstrauen wächst. Die Regierung hat uns um 30 Jahre zurückgeworfen.


Was erin­nert Dich heute an die Situation von vor 30 Jahren?
Wir haben in der Vergangenheit Lohnerhöhungen erstrit­ten, die Arbeitszeit ver­kürzt und den Kündigungsschutz ver­bes­sert. Das wird nun alles abge­baut. Für die Unternehmen ist es wie­der ein­fa­cher und bil­li­ger, Arbeitnehmer zu ent­las­sen. Sie müs­sen sich nicht mehr an Tarifvereinbarungen halten.

Wirkt die Politik?
Damit wer­den wir die Krise nicht über­win­den. Keine die­ser Reformen schafft neue Jobs. Nur die pre­käre Beschäftigung wächst. Sie ist in Spanien inzwi­schen drei­mal so hoch wie in Europa. Wenn die Menschen keine Arbeit haben oder mit ihrer Arbeit nichts ver­die­nen, sin­ken auch die Einnahmen des Staates und er rutscht tie­fer in die Krise. Es ist ein Teufelskreis.

Wie rea­gie­ren die Menschen?
Es gibt Wut und Empörung. Es ist für nie­man­den zu ver­ste­hen, dass bei der Bildung, der Gesundheit oder bei Rentnern und Arbeitnehmern gespart wird, wäh­rend gleich­zei­tig Finanzinstitute mit Milliarden geret­tet und ihre Chefs mit Millionenabfindungen ent­las­sen wer­den. Wie vor ein paar Tagen bei der Bankia.
Manche resi­gnie­ren auch. Das ist sicher das Schlimmste. Die Menschen haben Angst. Zurzeit sind 5,5 Millionen arbeits­los. Selbst wer Arbeit hat, hat keine Sicherheit. Viele akzep­tie­ren jede Bedingung der Arbeitgeber, nur um nicht auf der Straße zu ste­hen. Die Resignation hat sich zum Teil auch gegen uns Gewerkschaften gewen­det. Mit unse­ren Aktionen haben wir aber viele die­ser Menschen wie­der erreicht.

Arbeitslose Jugendliche in Europa

Was sind die Folgen der Krise für das täg­li­che Leben?
Die Lebensqualität sinkt. Menschen kön­nen die Hypothek auf ihr Haus nicht mehr bezah­len. Sie müs­sen aus ihrem Heim aus­zie­hen und den­noch wei­ter ihre Schulden abzah­len. Wer kann, zieht zurück zur Familie. Aber das kann nicht jeder.

Habt Ihr als Gewerkschaft Vorschläge, wie Spanien die Krise über­win­den kann?

Ja, aber dazu müsste die Regierung uns zuhö­ren. Wir haben gesagt, wir wol­len mit­ar­bei­ten. Es gibt Alternativen. Wir leh­nen Einschnitte nicht ab, aber wir brau­chen vor allem Investitionen. Nach unse­ren Berechnungen könnte etwa die Sanierung öffent­li­cher und pri­va­ter Bauten rund 600 000 Arbeitsplätze schaf­fen. Doch vom Regierungschef krie­gen wir keine Antwort. Ihm ist alles wurscht, was wir vor­schla­gen. Er inter­es­siert sich mehr für die deut­sche Kanzlerin.

Woher kommt das?
Angela Merkel steht für die euro­päi­sche Sparpolitik gemein­sam mit Frankreich. Aber die deutsch-französische Achse hat nicht zu Wirtschaftswachstum in Europa geführt. Bei uns glau­ben viele, dass diese Politik vor allem Deutschland nützt. Aber das glaube ich nicht. Ich glaube, dass Angela Merkel vor allem ihrem eige­nen Land scha­det. Wenn Europa nicht mehr kon­su­miert, dann wird wird auch Deutschland Probleme bekom­men. Mit den Problemen wird in der deut­schen Gesellschaft der Druck zuneh­men. Das wird die Politik verändern.

Wohin wird sich die Politik ver­än­dern?
Wir müs­sen einen sanf­ten Weg fin­den, um aus die­ser Krise her­aus­zu­kom­men. Wir sol­len unser Defizit nächs­tes Jahr auf drei Prozent sen­ken. Die Amerikaner, die viel stär­ker sind als wir, neh­men sich dafür zehn Jahre Zeit. Wir brau­chen eine Politik, die den Teufelskreis aus Verschuldung, Sparen, Arbeitslosigkeit, sin­ken­der Einnahmen durch­bricht. In Europa brau­chen wir eine gemein­same Politik und gemein­same soziale Standards. Sonst wird das, was jetzt mit den sozia­len Rechten in Spanien pas­siert, eines Tages auch in Deutschland passieren.

Wo könnte die Regierung auch spa­ren?
Keine Frage, es gab bei uns auch wirt­schaft­li­che Verschwendung. Die Finanzpolitik war in eini­gen Bereichen abso­lut töd­lich. Da hat sich auch man­cher berei­chert. Dagegen müs­sen wir etwas tun, das darf nicht mehr passieren.

Wie wirkt sich die Krise auf die Gewerkschaften aus?
Die Situation ist nicht ein­fach. Es gibt immer weni­ger Beschäftigte und wer keine Arbeit hat, geht nicht unbe­dingt in die Gewerkschaft. Deshalb machen wir jetzt eine Werbekampagne für uns. Aber wir wol­len auch unsere Politik ver­än­dern, etwa indem wir uns mehr auf die Branchen aus­rich­ten. Probleme haben wir vor allem bei den Kleinstbetrieben. Die Beschäftigten kom­men nicht zu uns. Dort müs­sen wir als Gewerkschaften hin­kom­men. Mit unse­rer Mobilisierung waren wir bis­her erfolg­reich und das wol­len wir auch bei­be­hal­ten. Wir haben uns genau über­legt, wann wir wo wel­che Aktion, Versammlung oder Demo machen. Der Druck muss von der Straße kom­men. Ich bin davon über­zeugt, dass die Regierung ihre Haltung ändern wird.

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