Verkehr in Megacities: Lösungen brauchen Kreativität und Weitsicht

Klaus Beckmann. Foto: David Ausserhofer

Foto: David Ausserhofer

Die Megacities in Asien, Afrika oder Süd- und Mittelamerika wach­sen seit Jahren rasant. Und mit ihnen die Verkehrsprobleme. Klaus Beckmann, Professor am Deutschen Institut für Urbanistik, beschreibt die Probleme die­ser Städte und wie sie ver­su­chen, sie zu lösen:

Die Mega-Cities in Asien, Afrika, Süd- und Mittelamerika wach­sen hin­sicht­lich der Bevölkerungszahl dra­ma­tisch. Das Bevölkerungswachstum auf der Südhalbkugel, aber auch in China und Indien voll­zieht sich vor allem in Städten, da in die­sen die Hoffnung auf Arbeitsplätze und Versorgung besteht.
Das Wachstum ist in der über­wie­gen­den Zahl unor­ga­ni­siert, erfolgt in infor­mel­len Siedlungen ("squat­te­red areas", "Gecekondular". "town­ships"). Hier feh­len zumeist dau­er­hafte Behausungen ebenso wie for­melle soziale Infrastrukturen wie Schulen, Gesundheitseinrichtungen oder Läden, tech­ni­sche Infrastrukturen des Verkehrs, der Energie- und Wasserversorgung, der Entwässerung und vie­les mehr. Manches wird infor­mell erbracht - etwa zivil­ge­sell­schaft­lich orga­ni­sierte rudi­men­täre Gesundheitsdienste, Produktion oder Verdienst durch Wertstoffverwertung. Besonders män­gel­be­haf­tet sind Wasserversorgung, Entwässerung und Mobilitätsdienste bzw. Verkehr.

Wenn aber Mobilitätsangebote feh­len, dann ist zum einen die erhoffte – zum Teil auch infor­melle – Teilhabe an Ausbildung und Arbeit erschwert oder nahezu unmög­lich. Die Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen kann ebenso fast nicht mög­lich sein wie die Nutzung der Stadt als Wirtschaftsstandort, als sozia­ler Kontaktraum, als Raum einer par­ti­el­len Integration. Zum ande­ren haben die Städte zumeist unzu­rei­chende Mittel für auf­wen­dige Infrastrukturvorhaben.

Für die Stadtausdehnung, die Siedlungsdichte und die kol­lek­ti­ven Transportbedürfnisse durch­aus geeig­nete leis­tungs­fä­hige Systeme des öffent­li­chen Personen(nah)verkehrs wie S-Bahnen, U-Bahnen, Stadt- und Straßenbahnen sind häu­fig nicht finan­zier­bar und kön­nen nicht oder nur rudi­men­tär bereit­ge­stellt wer­den. Folge ist, dass auf der einen Seite die indi­vi­du­elle Motorisierung expo­nen­ti­ell steigt – mit den Folgeproblemen für Flächenbeanspruchung, redu­zierte Verkehrssicherheit, Lärm- und Schadstoffemissionen, CO2-Emissionen.

Auf der ande­ren Seite fin­den infor­melle kol­lek­tive Formen wie der Einsatz von „Dolmuş“ oder das unge­neh­migte Mitfahren auf Güterzügen sowie der Einsatz nicht­mo­to­ri­sier­ter Mobilitätsformen brei­ten Einsatz. Die Angebotsdefizite – mit ihren Auswirkungen auf Einschränkungen der Teilhabemöglichkeiten der Menschen - wie auch die Umweltbelastungen sind unmit­tel­bar erkenn­bar. Hier setzt die Kreativität ört­li­cher Initiativen, aber auch die Weitsicht von Planern und Politikern an.

So bie­ten die Stadträume etwa der spa­ni­schen oder por­tu­gie­si­schen Stadtgründungen in Süd- und Mittelamerika, der ver­schie­de­nen Stadterweiterungsphasen die­ser Städte rela­tiv viel Platz. Hier wer­den die Flächen zu Gunsten ober­ir­di­scher kol­lek­ti­ver Systeme neu ver­teilt. Eine der umge­setz­ten Ideen ist das Bus Rapid Transit System (BRT). So wer­den in Curitiba und Bogota Mehr-Gelenk-Busse auf Sonderfahrstreifen mit schie­nen­ver­kehrs­ähn­li­chen Haltepunkten – für einen nive­auglei­chen Zugang der Fahrzeuge – auf Radiallinien ein­ge­setzt. Tarifgestaltungen ermög­li­chen rela­tiv brei­ten Bevölkerungsgruppen die Nutzung. Zur Sicherung der Leistungsfähigkeit wer­den kür­zeste Fahrzeug-Folgezeiten rea­li­siert. In Außenbereichen ergän­zen Kleinbussysteme oder die nicht moto­ri­sier­ten Verkehrsmittel das BRT.

Mega-Cities der Nordhalbkugel – etwa in Nordamerika – ler­nen, dass leis­tungs­fä­hige öffent­li­che Verkehrssysteme wie Straßenbahnen, Stadtbahnen, „Light Rails“ wich­tige Erschließungsfunktionen ver­gleichs­weise kos­ten­güns­tig erbrin­gen können.

Offenbar machen Finanznot und Flächenengpässe erfin­de­risch. Europäische Städte könn­ten die Einsetzbarkeit der „erfin­de­ri­schen“ Lösungen der Mega-Cities ver­tieft überprüfen.

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