Verkehr muss intelligenter werden

Christian von Polentz

Verkehrsverbindungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft bil­den die Hauptschlagadern der Wirtschaft. Doch Mobilität stößt an Grenzen. Klimawandel, schwin­dende Öl- und Gasvorkommen, ver­stopfte Straßen und Luftwege for­dern die Industriestaaten her­aus. Wie kön­nen sie in Zukunft mobil blei­ben, ohne die Lebensgrundlagen der Menschheit zu zer­stö­ren? Welche Alternativen gibt es zu fos­si­len Brennstoffen? Über diese Fragen dis­ku­tier­ten Betriebsräte aus der Verkehrsindustrie, Jürgen Leohold, Leiter der Konzernforschung bei Volkswagen, und Klaus Beckmann, Direktor des Deutschen Instituts für Urbanistik.

Verkehrsplanung und –indus­trie muss nicht nur aus öko­lo­gi­schen Gründen umden­ken. Eine schrump­fende und älter wer­dende Bevölkerung stellt neue Ansprüche an Mobilität. Mehr Menschen zie­hen wie­der in die Städte. Hier stößt der Verkehr an räum­li­che Grenzen. Auf der einen Seite spielt das Auto bei jun­gen Menschen eine gerin­gere Rolle. Wer jün­ger ist als 35 besitzt heute sel­te­ner ein Auto als vor zehn Jahren, und er benutzt es auch sel­te­ner. In Großstädten wie Berlin nut­zen heute weni­ger Menschen das Auto, dafür fah­ren mehr mit Bus und Bahn oder Fahrrad. Auf der ande­ren Seite kau­fen immer mehr Menschen im Internet ein und las­sen sich ihre Waren nach Hause lie­fern. So ent­steht neuer Verkehr.

Nachdenken über Infrastruktur reicht Klaus Beckmann vom Deutschen Institut für Urbanistik nicht aus, um sich auf diese ver­än­der­ten Bedingungen ein­zu­stel­len. Er for­dert eine neue Verkehrspolitik. „Wir brau­chen ein System, in dem die ver­schie­de­nen Verkehrsmittel inein­an­der­grei­fen. Wir müs­sen den Verkehr in unse­ren Städten intel­li­gen­ter betrei­ben.“ Ein Hindernis auf dem Weg zu einem intel­li­gen­ten und umwelt­ver­träg­li­chen Stadtverkehr sieht Beckmann aller­dings in den oft lee­ren öffent­li­chen Kassen. „Die Schuldenbremse wird der Verkehrspolitik Probleme berei­ten. Das Geld wird knapper.“

Für den Arbeitsmarkt erwar­tet Beckmann von zukunfts­fä­hi­gen Verkehrssystemen neue Impulse. Neue Produkte wie Pedelec, elek­tro­ni­sches Fahrrad oder Auto müs­sen pro­du­ziert wer­den. Aber auch neue Dienstleistungen wer­den neue Arbeitsplätze schaf­fen. Allerdings dürfte es das alles nicht zum Nulltarif geben, fürch­tet Beckmann. „Ich denke, dass Mobilität deut­lich teu­rer wird.“

Vermeiden, ver­la­gern, ver­bes­sern
Verkehr ist nicht gleich Verkehr. Auf dem Land haben die Menschen andere Mobilitätsprobleme als in der Stadt, und in Hamburg andere als in Tokyo. Deshalb gibt es für Jürgen Leohold von Volkswagen keine Musterlösung für alle Probleme. Von einem ist er aller­dings über­zeugt: „Das Auto bleibt unver­zicht­bar.“ Er wies dar­auf­hin, dass Bus und Bahn schon heute in den Hauptverkehrszeiten aus­ge­las­tet sind. „Das Auto macht 80 Prozent des Verkehrs aus. Das kön­nen wir nicht ein­fach von heute auf mor­gen abstel­len.“ Leohold nennt drei Strategien, die zukünf­ti­gen Verkehrsprobleme zu bewältigen:

  1. Verkehr ver­mei­den
  2. Verkehr ver­la­gern
  3. Autos ver­bes­sern

Vor allem beim drit­ten Punkt sei die Autoindustrie gefragt. Hier geht es darum, die Autos leich­ter zu machen und den Verbrauch zu ver­rin­gern. Eine Alternative zu den Benzin und Diesel sei Erdgas, das wesent­lich weni­ger CO2 aus­stößt. „Es hat den Vorteil, dass wir dafür die vor­han­dene Technik nut­zen kön­nen“, sagt Leohold. Elektro-Autos seien vor allem für Kurzstrecken inter­es­sant. Allerdings machen sie öko­lo­gisch nur Sinn, wenn der Strom aus erneu­er­ba­ren Energiequellen kommt. „Diese Frage kön­nen wir nur gemein­sam mit der Energiewende lösen.“

Licht und Schatten
Die Betriebsräte der Verkehrsindustrie ste­hen der Entwicklung zwie­späl­tig gegen­über. Auf der einen Seite sehen sie durch­aus Chancen in einer öko­lo­gi­schen und nach­hal­ti­gen Entwicklung ihrer Produkte. Bereits heute inves­tie­ren die Unternehmen in die Entwicklung spar­sa­me­rer und umwelt­freund­li­cher Autos, Flugzeuge oder Lkw. Neue Technik muss ent­wi­ckelt wer­den. Das schafft Arbeitsplätze. Wer beim Umweltschutz vor­an­geht, kann sich im Wettbewerb Vorteile ver­schaf­fen, spä­tes­tens wenn Grenzwerte für Schadstoffausstoß stei­gen. Auf der ande­ren Seite fürch­ten vor allem Beschäftigte in der Autoindustrie um ihre Arbeitsplätze. Für die Betriebsräte kann der Wandel nur funk­tio­nie­ren, wenn es für die Beschäftigten Sicherheit gibt. Dies gelinge nur, wenn der Umbau lang­sam und nach­hal­tig ver­laufe, über neue Antriebstechniken, aber auch über neue Produkte.

Für die Betriebsräte gehört aber auch die Frage, wie sich Verkehr ver­mei­den lässt, zu einem guten Leben. Die mög­li­chen Folgen des Klimawandels las­sen kei­nen kalt. Deshalb geht es auch darum, den Abbau des Schienenverkehrs zu ver­hin­dern oder über eine regio­nale Versorgung der Unternehmen nach­zu­den­ken. Denn Verkehr pro­du­zie­ren auch Unternehmen, die immer mehr Produktion aus­la­gern, auf Lagern ver­zich­ten und alles Just-in-Time lie­fern las­sen. Sie machen die Straße zu ihrem Lager.

Alle zusam­men­brin­gen
Einen öko­lo­gi­schen und nach­hal­ti­gen Umbau des Verkehrs kann es für Jürgen Kerner nur geben, wenn alle zusam­men daran arbei­ten. „Wenn es darum geht, wie wir die Welt nach­hal­tig ent­wi­ckeln wol­len, müs­sen wir alle gesell­schaft­li­chen Gruppen an einen Tisch brin­gen“, sagte das geschäfts­füh­rende Vorstandsmitglied der IG Metall. Er for­derte ein stär­ke­res Primat der Politik. Sie müsse Vorgaben machen, um den öko­lo­gi­schen Umbau vor­an­zu­brin­gen. „Wir brau­chen eine nach­hal­tige Strukturpolitik, wir brau­chen nach­hal­ti­ges Wachstum, wir brau­chen weni­ger Ressourcen- und Energieverbrauch, und wir brau­chen ein System für Ballungsräume“, sagte Kerner. Dafür werde es nicht ein Rezept geben, son­dern viele verschiedene.

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