Huber: Die IG Metall will einen Kurswechsel

Berhold Huber

Foto: Gaby Gerster


Berthold Huber for­dert in sei­nem Buch "Kurswechsel" ein neues Gesellschaftsmodell. Im Interview erklärt er, was ihn dazu bewo­gen hat, ein Buch zu schrei­ben und wie er den Menschen Mut machen möchte, sich an der Diskussion um den Kurswechsel für Deutschland zu betei­li­gen.

Was hat Dich bewo­gen, ein Buch zu schrei­ben mit dem Thema "Kurswechsel"? Ist denn nicht auf die­sem Gebiet von der IG Metall bereits alles gesagt wor­den?
Ja, gesagt wor­den ist viel. Ich sehe aber nicht, dass Politik und Wirtschaft aus der ver­gan­ge­nen Finanzkrise etwas gelernt haben oder gar die rich­ti­gen Konsequenzen gezo­gen haben. Die Finanzkrise hat doch ein­mal mehr gezeigt, dass Anstand und Moral auf der Strecke geblie­ben sind. So wie bis­her kann es nicht mehr wei­ter­ge­hen. Deshalb will die IG Metall eine gesell­schaft­li­che Debatte eröffnen.

Was sind Deine Botschaften?
Eine Sache ist mir beson­ders wich­tig: Die Wertegemeinschaft IG Metall - also wir alle, die Mitglieder, die Betriebsräte und die Vertrauensleute - ste­hen für ein gutes Leben. Dafür setzt sich jede Metallerin und jeder Metaller immer wie­der ein. Gerade in Zeiten stei­gen­der  Flexibilitätsanforderungen, aber auch -bedürf­nis­sen, brau­chen die Menschen Sicherheit. Sie brau­chen feste Jobs und keine Leiharbeitsverhältnisse oder andere dau­er­hafte Befristungen. Und: Sie brau­chen anstän­dige und faire Löhne für ein gutes Leben.

Die ver­gan­gene Wirtschaftskrise hat gezeigt, wie wich­tig eine starke IG Metall ist. Wir haben uns für Kurzarbeit und Abwrackprämie stark gemacht und damit viele Jobs geret­tet. Aber was pas­siert in der nächs­ten Krise?
Deutschland muss eine Industriegesellschaft blei­ben, die mit­hilfe der IG Metall öko­lo­gisch und nach­hal­tig umge­baut wird. Das wird auch in den nächs­ten Jahren unser größ­tes Ziel sein. Deutschland kann auf Industriearbeitsplätze nicht ver­zich­ten. Deshalb müs­sen wir jetzt Perspektiven und neue Wege in der Industriepolitik auf­zei­gen. Die schwarz-gelbe Koalition hat in die­ser Frage der­zeit gar nichts zu bieten.

Wie kön­nen die Mitglieder der IG Metall im Umbau der Wirtschaft und der Gesellschaft eine Rolle spie­len?
Sie tun das ja bereits. Viele haben ihre Betriebsräte gewählt. Die gewähl­ten Gremien wie­derum gestal­ten zusam­men mit den Beschäftigten den Alltag in den Betrieben. Aber mir reicht das noch nicht. Die IG Metall for­dert noch mehr Mitsprache, Mitbestimmung und Beteiligung. Die Demokratie muss wie­der­be­lebt wer­den in den Betrieben, aber auch in der Politik und in der Gesellschaft. Wenn nicht die Beschäftigten, wer soll denn dann gute Vorschläge für neue Produkte oder Investitionen haben? Wenn nicht die Menschen, wer soll denn dann unser Land gestalten?

Du willst also jedem Mut machen, sich an der Diskussion um einen Kurswechsel, ein neues Gesellschaftsmodell, zu betei­li­gen?
Ja. Ich bin fest davon über­zeugt, dass Deutschland eine andere Wirtschaftsordnung braucht. Es kann und darf sowie bis­her nicht wei­ter­ge­hen. Notwendig ist ein Kurswechsel hin zu einer sozia­len markt­wirt­schaft­li­chen Demokratie. Sonst klaf­fen Arm und Reich, Oben und Unten immer mehr aus­ein­an­der. Das Fundament unse­res Staates ist doch eine funk­tio­nie­rende Wohlfahrtsgesellschaft.

Wie müsste die­ses Modell Deiner Meinung nach aus­se­hen?
Die neue Wohlfahrtsgesellschaft ist gerech­ter und ergie­bi­ger finan­ziert als der heu­tige Sozialstaat. Sie inves­tiert stär­ker in soziale Dienstleistungen und legt soziale Mindestnormen als untere Grenze ver­bind­lich fest. Die  Verteilungsfrage, bei­spiels­weise von Vermögen oder von Bildungschancen, wird bes­ser gelöst. Aber ein sol­ches Modell kommt nicht von selbst. Wir alle müs­sen für diese Vision kämp­fen, sonst glei­tet unsere Demokratie zurück in feu­da­lis­ti­sche Verhältnisse.

Ein Gedanke zu “Huber: Die IG Metall will einen Kurswechsel

  1. Der Kurswechsel ist über­fäl­lig.
    Wir waren sehr sehr duld­sam. Leider gab es keine win-win-Situation, son­dern eine Umverteilung von den immer här­ter arbei­ten­den abhän­gig Beschäftigten und Arbeitslosen zu Vereinigungsgewinnlern, Geldanlegern und Spekulanten.
    Das Zusammenspiel mit unse­ren Vertretern in der Politik hat nicht funk­tio­niert. Alt- und Neoliberale Weltanschauung hat die Köpfe ver­ne­belt, ver­kappte Arbeitgeberfreunde haben sich ein­ge­schli­chen, getarnt als "Wirtschaftskompetenz".
    Der Kurswechsel ist überfällig.