Mit Arbeitszeitverkürzung aus der Krise

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Steffen Lehndorff, Uni Duisburg-Essen

Arbeitszeitverkürzung trägt dazu bei, Arbeitslosigkeit, pre­käre und schlechte Jobs zurück­zu­drän­gen und gute Arbeit für alle zu ermög­li­chen, erklärt Steffen Lehndorff. Der Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitforscher plä­diert dafür, mit der „per­ver­sen Logik“ zu bre­chen, die Beschäftigung von der Rentabilität abhän­gig macht und die Richtung umzu­keh­ren: „Welche nütz­li­chen Arbeitsplätze für wel­che sozia­len Bedürfnisse?“

Denn, so Lehndorff, eine ver­kürzte Arbeitszeit gebe der freien Zeit Vorrang und fixiere sich nicht auf Produktion und Konsum. Damit ent­stün­den neue Konsum- und Lebensweisen. Die Menschen neh­men am Leben der Stadt teil und ermög­li­chen es somit, die umwelt­po­li­ti­schen und sozia­len Herausforderungen zu meistern.

Letztlich ver­rin­gere kür­zere Arbeitszeit soziale Ungleichheit, weil die Einkommen umver­teilt wer­den auf eine Art, die mehr Jobs und freie Zeit schaf­fen. Schon allein des­halb spricht sich Lehndorff dafür aus, den Prozess der Arbeitszeitverkürzung erneut anzu­sto­ßen in Richtung 32-Stunden-Woche. Und zwar als Entwicklungsmodell, das allen Bürgerinnen und Bürgern eine ange­mes­sene soziale Teilhabe ermöglicht.

Das Papier"Der Ausweg aus der Krise: Arbeitszeitverkürzung und nütz­li­che Arbeitsplätze" von Steffen Lehndorff ist ver­öf­fent­licht auf den Nachdenkseiten.

10 Gedanken zu “Mit Arbeitszeitverkürzung aus der Krise

  1. Arbeitszeitverkürzung schön und gut, doch der Lohn wird auch gekürzt, das könnte ich mir nicht leis­ten.
    Bei unse­rer letz­ten Betriebsversammlung hat unser Werksleiter uns mit­ge­teilt, wenn die Wirtschaftliche Lage nicht bes­ser wird, würde er in Erwägung zie­hen die Arbeitszeit zu ver­kür­zen, natür­lich auch der Lohn.
    Das finde ich nicht gerade pri­ckelnd. Habe zwar mehr Freizeit, mein Kaufverhalten kann ich aber den­noch nicht ändern, da das Geld weni­ger ist.
    So lange unsere Arbeit noch in Leihfirmen geschickt wird, finde ich das eh eine Schweinerei das wir kür­zer und für weni­ger Geld arbei­ten sol­len, oder gar in Kurzarbeit geschickt wer­den,
    das kann es nicht sein.

  2. Kann ich nur unter­stüt­zen zudem müs­sen wir als Gewerkschafter auf­hö­ren uns stän­dig
    zurück zuhal­ten sonst machen wir uns noch mit schul­dig bei der Umverteilung und
    Verarmung der Arbeiterschaft !

    IGM Mitglied
    und Mitglied "Bündnis 90 die Grünen" KV Altötting

  3. Obwohl ich auch ein Beführworter einer (im Durchschnitt von X) 30 Std. Woche bin gefällt mir der Vorschlag so nicht. Ich denke, dass vor einer wei­te­ren Verkürzung der Arbeitszeit in der IG Metall einige Voraussetzungen erfüllt sein müs­sen die nicht im Verantwortungsbereich der IG Metall lie­gen. Zum ers­ten wäre das eine für alle wir­kende Arbeitszeitverkürzende durch Über­ar­bei­tung des Arbeitszeitgesetzes. Zum einen sollte hier die Schichtarbeit dem Stand der Forschung ange­passt wer­den. Zum ande­ren sollte die höchst­mög­li­che Durchschnittlich zuläs­sige Arbeitszeit von jetzt 48 Std auf 40 Std. im1/2 Jahr begrenzt wer­den. Sowohl aus gesund­heit­li­chen, wie auch aus pro­duk­ti­ven Gründen wäre das sogar sinn­voll. Im zwei­ten Schritt sollte die Arbeitszeit im öffent­li­chen Dienst gesekt wer­den. Zum einen, um ein aus­ein­an­der­drif­ten der Normalarbeitszeiten zu ver­hin­dern und "Neiddebatten" zu ver­mei­den und zum ande­ren weil im öffent­li­chen Dienst die Unternehmer nicht mit sin­ken­der Konkurrenzfähigkeit dro­hen kön­nen. Durch die im Beitrag gefor­derte Gegenfinanzierung ist dies auch finanzierbar.

  4. Die Einführung der 35 Stundenwoche bei vol­lem Lohnausgleich wurde Schrittweise erreicht.Die 4Tage bei vol­lem Lohnausgleich wäre mög­lich und sinn­voll, Kaufkraftverlust kann den Binnenmarkt schaden.Eine Europäische Tarifbewegung, kann auch ande­ren Staaten in Europa hel­fen. Ein rich­ti­ges Umsteuer In der Geldpolitik ist Über­fäl­lig . Die Monetäre Wirtschaftspolitik wird die Kriese ver­schär­fen. Kaputtsparen und die Banken Glücklich machen, ist der fal­sche Weg. Die Länder müs­sen wie­der in die Lage gebracht wer­den, ihre Kommunen mit Geld aus­zu­stat­ten, damit sie eine Aktive Infrastukturpolitik betrei­ben kön­nen, um auch Zukunftsarbeitsplätze zu schaffen.Eine neu­re­ge­lung der Finanztransaktoinen ist über­fäl­lig. Geld muss über die Europäische Notenbank regu­liert gedruckt und nicht dann als Staatsschuden aus­ge­wie­sen wer­den. Ein gut Struktuierter Haushaltplan ist zwin­gend erforderlich.

  5. Steffen Lehndorf hat recht. Er hätte vie­les noch hin­zu­fü­gen kön­nen: Arbeitszeitverkürzung von 80 bis herab auf 35 Stunden ist schon mal erkämpft wor­den. Wissenschaftlich-technischer Fortschritt hat gehol­fen. Und die Vorteile der Arbeitszeitverkürzung? Steffen Lehndorf hätte dazu viel mehr sagen kön­nen, auch im Detail.

    Einige Kommentatoren gehen nun gleich ganz und gar ins Detail: Wöchentlich 5 mal 6 Stunden oder 4 mal 7,5 Stunden?? Das kön­nen die ein­zel­nen Belegschaften klä­ren, das ist der zweite Schritt. Der erste Schritt ist aber das Bekenntnis zur Arbeitszeitverkürzung mit Personal- und Entgeltausgleich! Dazu brau­chen wir ein neues Arbeitszeitgesetz!!! Und ab sofort soll­ten wir deuzt­lich sagen: Die Finanzmittel zum Entgeltausgleich sind eigent­lich dis­po­nier­bar. Wenn Erwerbslosigkeit über­wun­den wird, haben wir schon mal ca. 50 Milliarden pro Jahr. Noch viel mehr Geld kann ver­füg­bar gemacht wer­den durch Vermögenssteuer, Millionärsabgabe (dazu auch DGB-Aufruf 2011), Schließung von Steuerschlupflöchern, Anhebung der Bemessungsgrenze, Verminderung der stress-bedingten Berufskrankheiten (Senkung des Krankenstandes) usw. Es ist höchste Zeit, dass Gewerkschaften ihre Forderungen stel­len. Wie nötig das ist, habe ich seit 2002 aus­ge­führt in http://www.thiel-dialektik.de (Publikationsfeld 8) und 2012 in dem Sammelband "Kaltes Land...." (Laika-Verlag Hamburg) sowie auch schon einen gan­zen Abend lang im DGB-Kreis Elbe-Elster. Texte stelle ich gern zur Verfügung. Rainer Thiel, rainer@rainer-thiel.de Um die Diskussion zu bele­ben, soll­ten e-mail-Adressen auch ver­öf­fent­licht wer­den. Hochaktell ist "Die Streiks der IG Metall" (1984) von Jakob Moneta.

  6. Die Arbeitszeitverkürzung ist natür­lich Deutschlandweit durch­zu­füh­ren, denn sonst ent­steht kein Sog zu bes­se­ren Löhnen, der die nied­ri­ge­ren Löhne bei der Einführung aus­gleicht.
    (Verknappung der Arbeit durch die 35 Stunden Woche erzeugt höhere Löhen). Der volle Lohnausgleich ist so zu sehen, dass das ein Zeil ist, aber daran kann die Verkürzung nicht gebun­den wer­den, da sie nge­rech­tig­keits­hal­ber erfol­gen muss (Arbeitszeit und Einkommen tei­e­len). Aber mit den gespar­ten sozi­al­aus­ga­ben, wenn die Arbeitslosigkeit stark sinkt, kön­nen die Steuern gesenkt und untere Einkommen auf­ge­stockt werden.

  7. Die Aussicht auf einen ver­schärf­ten Verteilungskampf ist kurz­fris­tig nicht die Aussicht auf ein schö­ne­res Leben. Der Kampf um eine kür­zere tarif­li­che Vollzeit ist nicht umsonst eini­gen Mitstreitern unan­ge­nehm in Erinnerung geblie­ben.
    Den Verteilungskampf um eine kür­zere tarif­li­che Vollzeit zu unter­las­sen, führt aller­dings zu einer Verhandlungsposition der Arbeitnehmer und ihrer Interessenvertreter, wie sie aktu­ell auf die­sem Produktivitätsniveau schwä­cher kaum sein könnte.
    Wenn die Arbeitskräfte in Form von Arbeitszeit knapp sind, stei­gen die Löhne zwangs­läu­fig. Der Arbeitsmarkt wird dann vom Angebot domi­niert – wie vor 50 Jahren, als das Arbeitsvolumen auf Grund der Einführung der 40 Stundenwoche schnel­ler sank als das Angebot an Arbeitskräften stieg.
    Die Einführung der 30 Stundenwoche hätte die­sen Effekt auch heute. Das ver­gleichs­weise geringe Wirtschaftswachstum ver­rin­gert nur schein­bar den Verteilungsspielraum, denn die Verteilungsmasse ist pro Person viel grö­ßer als vor 50 Jahren.
    Ob 40 oder 30 Stundenwoche – es wird wei­ter­hin die Vielfalt am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft geben. Die Differenz zwi­schen oben und unten wird dadurch nur (vor­über­ge­hend) redu­ziert.
    Auf Grund per­ma­nent stei­gen­der Produktivität ist ein per­ma­nen­ter Kampf um Arbeitszeitverkürzung not­wen­dig. Ein unan­ge­neh­mer aber not­wen­di­ger Gedanke.

  8. Arbeitszeitverkürzung ist drin­gend not­wen­dig. (Jörg Melz) Warum aber soll der Kampf um Arbeitszeitverkürzung "unan­ge­nehm" sein? Was not­wen­dig ist, muss auch gemacht wer­den, sonst blei­ben die Gewerkschaften wei­ter in ihrer Tief-Ebene. Am Fließband, an Maschinen und Werkzeugen zei­gen "Arbeitnehmer", dass sie ANPACKEN kön­nen, wie auch die Feuerwehr ANPACKEN kann. Dadurch unter­schei­den sie sich von den meis­ten Schreibtisch-Leuten. Natürlich müss­ten Schreibtisch-Leute zei­gen, dass Arbeitszeitverkürzung ANGEPACKT wer­den kann. Dann wer­den auch die Lohnfragen leich­ter lös­bar, und das Leben wird ange­neh­mer. Geld für Personal- und Entgeltausgleich bei Arbeitszeitverkürzung ist ja reich­lich vor­han­den. Das kön­nen wir doch locker-machen.
    Rainer Thiel rainer@rainer-thiel.de

  9. In den letz­ten 25 Jahren war der Gewinner der erhöh­ten Produktivität die Kapitalseite. Die Arbeitsplätze der Angestellten und die der Arbeiterschaft wur­den redu­ziert mit der Folge, dass wir (rich­tig gerech­net) knapp 7 Millionen Erwerbslose haben. Die dadurch feh­len­den Beiträge in den Sozialkassen durch feh­lende Beiträge und die Sozialtransferkosten (ein­schl. der hohen Verwaltungskosten) belas­ten die Gemeinschaft jetzt und in Zukunft (Armutsrenten).
    Eine Arbeitzzeitreduzierung bei vol­lem Lohnausgleich 30 Stunden arbei­ten auf Basis einer bezahl­ten 40 Stundenwoche ist eine sinn­volle Lösung für die Gesellschaft gerade auch für Europa. Mit der Arbeitszeitreduzierung bekämp­fen wir die Lohndumpingpolitik von Deutschland der ver­gan­ge­nen Jahre wirk­sam. Für Kleinstunternehmen kann ich mir eine staat­li­che Unterstützung für eine Über­gangs­zeit vor­stel­len. Statt Billiglöhne staat­lich zu sub­ven­tio­nie­ren (Aufstockung) wer­den Löhne ab einer bestimm­ten Höhe (zumin­dest Mindestlohnniveau) für 5 Stunden bezu­schusst. Der ver­blei­bende Stundenausfall von 5 Stunden trägt das Unternehmen. Da es alle zu glei­cher Zeit betrifft ent­steht kein Wettbewerbsnachteil für die Unternehmen.

  10. In der Automobilindustrie sind die Konzerne gerade dabei, die euro­pa­weit auf­ge­bau­ten Über­ka­pa­zi­tä­ten abzu­bauen. Wie in der Vergangenheit sol­len die Lasten die­ser Marktbereinigung auf die Beschäftigten abge­wälzt wer­den - Ford schließt Werke in Belgien und England, Peugoet in Frankreich, GM nun auch in Deutschland (Opel Bochum). Was spricht denn dage­gen, die Arbeitszeitverkürzung bei vol­lem Lohnausgleich zur Sicherung der Beschäftigung end­lich wie­der auf der Tagesordnung ganz nach oben zu set­zen? Dass die Verkürzung nicht zur Arbeitsverdichtung füh­ren darf, ver­steht sich von selbst. Dass sie branchen- und euro­pa­weit durch­ge­setzt wer­den muß, ebenso. Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit sind nichts ande­res als Arbeitszeitverkürzung — nur auf Kosten der Beschäftigten und der Sozialkassen! Wenn nicht wei­ter die Arbeiter und Angestellten die Zeche für den bereits lau­fen­den Arbeitsplatzabbau bezah­len sol­len, brau­chen wir einen geord­ne­ten Rückbau der Kapazitäten in der Automobilindustrie. Arbeitszeitverkürzung ist dazu das Mittel der Wahl. Bezahlen sol­len die Konzerne, die in der Vergangenheit und wie VW bis heute, glän­zend ver­dient haben!