Arbeit muss sich an den Menschen orientieren

Foto: Ch. von Polentz

Prekäre Beschäftigungen neh­men zu, die Anwesenheitskultur ver­fes­tigt sich, die Märkte üben nach unten mas­si­ven Druck aus - "gute Arbeit" wird zu einer Art Volkstraum. Zwar wird das Thema in den Medien heiß dis­ku­tiert, doch es ist mehr nötig, damit die Probleme des Individuums wie­der zählen.

Unter ande­rem der DGB hat Beschäftigte befragt, wie es aus ihrer Sicht um die Arbeitsqualität bestellt ist. Die Ergebnisse die­ser reprä­sen­ta­ti­ven Befragung zei­gen, dass den Menschen unter dem Druck der Märkte immer mehr abver­langt wird. Oft mehr als sie aus­hal­ten kön­nen. Parallel steigt die Unsicherheit durch pre­käre Beschäftigungsverhältnisse.

Vor die­sem Hintergrund scheint eine neue Kultur der Arbeit unum­gäng­lich. Eine betei­li­gungs­of­fene, ent­wick­lungs­för­dernde und inno­va­tive Arbeitswelt ist Voraussetzung für einen nach­hal­ti­gen Wirtschaftsumbau, wie der "Kurswechsel für ein gutes Leben" anstrebt. Doch wie lässt sich das Diskussionsthema "gute Arbeit" ver­wirk­li­chen? Darüber dis­ku­tierte Experten und Publikum am Foren-Tag auf dem Kurswechsel-Kongress der IG Metall.

Eine Frage der Führungskultur

Steffen Lehndorff, von der Universität Duisburg-Essen, macht das Thema "gute Arbeit" auch zu einem Thema der Führungskultur. Denn viele Probleme wür­den "von oben nach unten durch­si­ckern." Junge Eliten bekä­men bereits früh ver­mit­telt, dass es nur darum geht, mög­lichst schnell reich zu wer­den, bei­spiels­weise im Hedgefonds-Geschäft oder im Investmentbanking. Ein solch ego­is­ti­sches Verständnis, los­ge­löst von sozia­ler Verantwortung, schlägt dann auf die Beschäftigten dar­un­ter durch. Psychische Erkrankungen infolge hoher Arbeitsbelastungen sind nur eine Folge. "Wir müs­sen die Probleme der Individuen wie­der zu Problemen der Organisation machen", for­mu­lierte Lehndorff die Herausforderung für die Gewerkschaften im Streben nach guter Arbeit.

Hans Jürgen Urban, geschäfts­füh­ren­des Vorstandsmitglied der IG Metall, ver­wies eben­falls dar­auf, dass das Führungsverhalten der Vorgesetzten "von ele­men­ta­rer Bedeutung ist." Jener Stress müsse gar nicht immer aus böser Absicht ent­ste­hen. Es rei­che schon aus, wenn eine Arbeitsanweisung nicht ein­deu­tig for­mu­liert ist und für Unsicherheit sorgt. Solchen Problemen müsse man durch Qualifizierung begegnen.

Anti-Stress-Verordnung als ein Instrument für "gute Arbeit"

"Das Thema Burn-out und Stress ist aus den Medien nicht mehr weg­zu­den­ken", sagte Urban. "Das schrei­ben wir von der IG Metall uns auch ein biss­chen auf die Fahnen". Jedoch sei inzwi­schen ein Über­sät­ti­gungs­ef­fekt zu beob­ach­ten. Zudem glaub­ten viele Bürger, dass allein die the­ma­ti­sche Auseinandersetzung in der Presse etwas bewir­ken könne. Daher müsse es jetzt darum gehen, das Thema zu ver­tie­fen und Verbesserungen umzu­set­zen. "Es darf nicht bei der Debatte um den Burn-out blei­ben", sagte Urban.

Dabei brachte der Gewerkschafter unter ande­rem die "Anti-Stress-Verordnung" ins Spiel, die die IG Metall im Juni die­ses Jahres vor­stellte. Die umzu­set­zen, werde zwar nicht leicht – wovon auch Lionel Fulton vom Labour Research Departement London ein Liedchen zu sin­gen wusste, denn in England schei­ter­ten die Gewerkschaften mit die­sem Vorhaben. Aber die Zeit vor der Bundestagswahl will die IG Metall nut­zen, die Forderungen in Berlin zum Diskussionsthema zu machen. Denn geht es darum, warum Manager im Gesundheitsschutz aktiv wer­den, dann, das geht aus einer Befragung her­vor, steht die "Erfüllung gesetz­li­cher Verpflichtungen" ganz oben auf der Liste der Beweggründe.

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Steffen Lehndorff, Institut Arbeit und Qualifikation Universität Duisburg-Essen: Folienbeitrag "Kurs neh­men auf Gute Arbeit" [...mehr]
Hans Jürgen Urban, geschäfts­füh­ren­des Vorstandsmitglied IG Metall: Folienbeirag "Gute Arbeit" [...mehr]
Andrew Watt, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung Düsseldorf: Folienvortrag "Europa und die Krise" [...mehr]

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